Medikamente aus dem Regenwald Foto: Mark Louis Benedict / marklouisbenedict.com (Bild: Mark Louis Benedict / marklouisbenedict.com)
Lesezeit ca. 6 Minuten

Die Regenwald-Apotheke – der Giftschrank der Natur

„Die Blätter dieser Pflanze helfen gegen Fieber“, das weiß die 12-jährige Tukiyem aus eigener Erfahrung. „Sie heißt Dadap.“ Tukiyem lebt im Herzen der indonesischen Insel Java und durchstreift mit ihrer Schulklasse einmal in der Woche den Regenwald – auf der Suche nach Heilpflanzen. Dort lernen die Kinder, was ihre Vorfahren immer wussten: Welche Pflanze heilt welche Krankheit – und vor allem: welche ist giftig? So wird das uralte Wissen der Heilpflanzen von Generation zu Generation weitergegeben. Nur so bleibt es lebendig – und nützt übrigens der ganzen Welt.

Wichtigste Fakten
  • Mehr als die Hälfte aller Wirkstoffe in unserer modernen Medizin stammen aus Pflanzen
  • Orang-Utans und Bonobo-Affen wissen, welche Pflanzen ihnen bei bestimmten Krankheiten helfen

Heilkraft im Überfluss

Niemand weiß, wie viele Heilpflanzen es auf der Erde gibt. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN schätzt, dass zwischen 50.000 bis 70.000 Pflanzenarten für Medikamente aller Art genutzt werden. Und immer wieder entdecken Forscher neue wirksame Pflanzen oder neue heilsame Eigenschaften in schon bekannten Pflanzen.

Unschätzbar ist jedoch das Wissen der Urvölker, die in und mit den Regenwäldern leben. Dort wachsen mehr Heilpflanzen als in jeder anderen Region der Erde. Und die Medizinmänner und Heiler kennen und nutzen Blätter, Blüten, Früchte, Wurzeln oder Rinde von Pflanzen schon seit Jahrtausenden, um Krankheiten zu heilen. Von ihnen hat unsere Medizin schon vielfach profitiert. Zum Beispiel bei Medikamenten gegen Krebs, Malaria, Herzkrankheiten, Bronchitis, Husten, Schmerzen, Durchfall – ihre Wirkstoffe kommen alle aus Regenwaldpflanzen.

Ein paar von ihnen stellen wir euch vor – einige kennt ihr vielleicht schon.

Übrigens: Die meisten Heilpflanzen sind giftig – und können doch Leben retten. Man muss sie nur ganz sparsam verwenden.

Papaya

Papaya: Himmlischer Geschmack...

und irdische Wirkung: Saft aus der Schale hilft gegen Verstopfung, Tee aus den Blüten gegen Husten. Und wenn man die unreife grüne Frucht in Streifen schneidet und auf Entzündungen legt, heilen sie schneller.

Ursprung: wahrscheinlich Mexiko, heute überall in den Tropen und Subtropen

Ingwer

Ingwer: Die Wunder-Wurzel

Viele von uns wissen ja schon: Frischer Ingwer-Tee hilft gegen Erkältung und stärkt die Abwehrkräfte. Aber diese scharfe Wurzel kann viel mehr – das wissen traditionelle Heiler schon seit 3.000 Jahren: Ingwer kann Muskelschmerzen lindern, hilft gegen Übelkeit und Erbrechen (auch gegen Seekrankheit), Magen-Darm-Beschwerden oder Entzündungen.

Ursprung: möglicherweise die pazifischen Inseln, heute überall in den Tropen und Subtropen.

Rhododendron

Rhododendron: Ganz schön giftig

Sie blühen bei uns in Gärten und Parks – aber ihre Heimat ist Asien. Rund 1.300 Arten sind heute bekannt, mal kniehoch, mal baumlang – und viele sind giftig (Blätter, Blüten oder Pollen). „Doch was giftig ist, wirkt auch“, so Prof. Matthias Ullrich, Mikrobiologe in Bremen in einem Interview mit dem Magazin National Geographic.

In Rhododendron-Blättern hat man bisher 600 verschiedene Substanzen gefunden, manche wirken lähmend, andere hemmen das Wachstum von Krebszellen oder töten Bakterien.

Ursprung: Asien (Türkei bis Korea, vom Himalaya bis in die Tropen).

Immergrün

Madagaskar-Immergrün: rosa Hoffnung gegen Krebs

Traditionelle Heiler behandeln mit seinen Blättern und Wurzeln Rheuma und Diabetes (Zuckerkrankheit), die Blüten lindern Halsschmerzen und Erkältungen. In der modernen Medizin trägt diese rosa Pflanze dazu bei, die Heilungschancen von Leukämie (Blutkrebs) enorm zu verbessern.

Ursprung: Madagaskar, heute in den Tropen weit verbreitet.

Durian

Durian: Geruchsalarm!

Unsere indonesischen Partner auf Borneo und Sumatra lieben diese stachelige Frucht, aber in Hotelzimmern darf man sie nicht essen. Warum? Durian heißt bei uns auch Stinkfrucht, und sie macht ihrem Namen alle Ehre. In Südostasien brauen Heiler aus Baumrinde, Blättern und Wurzeln einen Trunk gegen Fieber und Gelbsucht.

Ursprung: Indonesien und Malaysia, heute in ganz Südostasien

Blüte eines Cinchona pubescens

Chinarindenbaum: besonders wertvoll

Aus der Familie sind vier Arten besonders wirksam: Aus Rinde und Wurzeln gewinnen die Naturvölker seit jeher Chinin gegen Fieber und Malaria. Im Jahr 1820 wurde dieser Wirkstoff zum ersten Mal durch französische Chemiker herausgetrennt und untersucht. Auch heute ist Chinin ein wichtiger Grundstoff für Malaria-Mittel.

Der Name hat übrigens nichts mit China zu tun. Er stammt wahrscheinlich aus der Sprache der Andenvölker Quechua: Kina-Kina = Rinde der Rinden.

Ursprung: Zentral- und Südamerika

Niembaum

Niembaum: das Allheilmittel

So sehen es jedenfalls die traditionellen Heiler in Indien und Pakistan. Seit 2.000 Jahren behandeln sie mit seinen Bestandteilen Geschwüre, Lepra, Verdauungsstörungen, Bluthochdruck und Erkrankungen der Schilddrüse. Niem tötet außerdem Viren, Pilze, Schadinsekten und Würmer. Und alles wird genutzt: Aus Rinde, Blättern, Blüten, Früchten oder Samen wird Tee gebraut, Pulver, Saft oder Öl gewonnen.

Der Niembaum hat weit mehr als 100 wirksame Stoffe, die aber bisher von der westlichen Medizin wenig erforscht sind.

Ursprung: Indien und Pakistan, heute in den Tropen und Subtropen

Das Wissen der Regenwald-Völker schätzen und bewahren

Mehr als die Hälfte aller Wirkstoffe in unserer modernen Medizin stammen aus Pflanzen – kein Wunder, dass Pharmakonzerne die besonders reichhaltige Regenwald-Apotheke „plündern“ und sich die Patente sichern wollen. Deshalb haben im Jahr 2009 mehr als 90 Staaten ein Übereinkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt geschlossen. Darin wollen sie auch die Rechte der indigenen Völker stärken und die sogenannte Biopiraterie durch Konzerne bestrafen und verhindern.

Außerdem: Der unglaubliche Reichtum an Heilpflanzen ist ein weiterer wichtiger Grund, die Regenwälder der Erde zu erhalten.

Die Apotheke der Bonobos

Im Kongo in Afrika erforscht die Münchner Zoologin Barbara Fruth seit vielen Jahren die Bonobos. Sie sind die kleineren Verwandten der Schimpansen. Die Wissenschaftlerin will herausfinden, ob auch diese Menschenaffen pflanzliche „Medikamente“ nutzen - und wenn ja, wogegen. Vor kurzem beobachtete sie, dass nur ein einziges Tier einer Gruppe ganz bestimmte Pflanzen fraß, ein sicheres Zeichen dafür, dass es Medizin sein musste und keine normale Nahrung. Sonst hätten alle Tiere davon gefressen. Die Pflanzen werden jetzt in Deutschland auf ihre Wirksamkeit untersucht.

Auch von den Orang-Utans in Indonesien weiß man, dass diese „Waldmenschen“ (das bedeutet Orang-Utan) jede Pflanze in ihrem Revier kennen und wissen, welches Kraut gegen Malaria oder Migräne hilft.

Letzte Aktualisierung: 23. November 2022
341 Bewertungen

Diesen Artikel kommentieren

Wenn Du Fragen zu dieser Seite hast, schreib uns an info@abenteuer-regenwald.de.

Formular wird geladen