„Eukalyptus können wir nicht essen“
Brasilien hat mehr Naturschätze als die meisten anderen Länder der Erde. Der Amazonas-Regenwald, die Cerrado-Savanne und der Atlantische Küstenregenwald sind besonders reich an Tier- und Pflanzenarten. Und Lebensraum indigener Gemeinschaften und Kleinbauern.
Doch dieser Reichtum geht immer mehr verloren: für riesige Soja- und Zuckerrohfelder, Rinderweiden – und Papier. Das Holz kommt von Eukalpytus-Plantagen und wird als Zellstoff in die ganze Welt verschifft. Auch zu uns.
- Brasilien liefert große Mengen Zellstoff nach Deutschland
- Für die Eukalyptus-Plantagen werden Menschen vertrieben
- Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum
„Sie kamen schon vor vielen, vielen Jahren nach Espirito Santo – und dann haben sie unser Land allmählich in eine grüne Wüste verwandelt, wo nur noch Eukalyptus wächst. Es gibt hier kein Leben, keine Hoffnung – nichts“, erzählt Joel in einem Video-Interview.
Joel gehört zu den indigenen Tupinikim, die im südöstlichen Brasilien leben. Dort, wo sich einst der Atlantische Küstenregenwald ausbreitete – nach Norden und Süden und bis weit ins Landesinnere hinein.
Übrig geblieben sind nur noch kleine Waldgebiete. Die Mata Atlântica, wie dieser Küstenwald am Atlantik heißt, wurde in den letzten Jahrzehnten größtenteils zerstückelt und zerstört.
Diese Plantagen sind grüne Wüsten
Für ihre riesigen Baumplantagen brauchen die Zellstoff-Firmen viel Land. Dafür wurden Ureinwohner und Kleinbauern vertrieben, ihr Ackerland und Urwaldbäume mussten Eukalyptusbäumen weichen. Eukalyptus ist für die Herstellung von Zellstoff ideal. Diese Baumart wächst besonders schnell, nach etwa sechs Jahren bringt sein Holz schon Geld ein.
"Als der Eukalyptus kam, gab es nur noch eintönige Wüsten."
„Wir haben früher vom Wald gelebt“, sagt Joel, „haben auf kleinen Feldern auch Früchte, Gemüse, Bohnen und Reis angebaut. Als der Eukalyptus kam, gab es nur noch eintönige Wüsten. Aber Eukalyptus können wir nicht essen!“
Brasilien ist heute der weltweit zweitgrößte Hersteller von Zellulose (nach den USA). Die riesigen Eukalyptus-Plantagen wurden immer weiter ausgedehnt – auf insgesamt 57.000 Quadratkilometern wächst inzwischen nur diese eine Baumart. Das ist, als wären ganz Niedersachsen und die Hälfte vom Nachbarland Sachsen-Anhalt mit Eukalyptus bepflanzt. Das meiste Holz wandert in die Zellstoff- und Papierindustrie.
„Die Plantagenfirmen behaupten, Eukalyptus hauptsächlich auf ausgelaugtem Land zu pflanzen“, schreibt die Organisation Global Forest Coalition. „Aber Land, das früher für die Viehzucht und andere landwirtschaftliche Zwecke im Atlantischen Küstenwald genutzt wurde, kann sich gut erholen. Und zum großen Teil kann auf den Böden auch wieder Wald heranwachsen, ganz ohne unser Zutun. Doch wenn dort Eukalyptus gepflanzt wird, ist es fast unmöglich, den ursprünglichen Wald wiederherzustellen. Und außerdem: Neben Eukalyptusbäumen gedeihen keine anderen Pflanzen.“
Kahlschläge für die riesigen Plantagen gibt es heute nicht mehr. Dennoch werden Regenwald und auch Gebiete des Cerrado, der größten und artenreichsten Savanne der Erde, für Baumplantagen zerstört.
Hauptsächlich aber nutzen die Eukalyptus-Firmen ehemalige Rinderweiden und landwirtschaftliche Flächen, auf denen Kleinbauern und indigene Gemeinschaften ihre Nahrungsmittel anbauten. Viele hat man vertrieben oder ihnen mit falschen Versprechungen das Land abgekauft. Es gibt dadurch zahlreiche schwere Konflikte zwischen der Bevölkerung und den mächtigen Konzernen.
"Wir leben hier inmitten der Eukalyptus-Plantagen.",
erzählt die ehemalige Kleinbäuerin Lucinete im Video-Interview. „Es gibt kein Wasser mehr, das du benutzen kannst. Wir haben keine Pflanzen mehr, keine Vögel, aller Reichtum, den wir von der Natur erhalten haben, ist vorbei. Es ist nichts mehr übrig. Wir leben immer noch hier, weil wir nirgendwo anders hin können.“
Auch Arbeitsplätze, die die Firmen den Menschen versprechen, gibt es kaum. Alles wird maschinell gemacht – eine Maschine bewältigt die Arbeit von 30 Männern, sagt Lucinete.
Eukalyptus braucht darüber hinaus extrem viel Wasser – lebenswichtiges Wasser, das den Menschen fehlt. Außerdem werden die Plantagen mit viel Dünger und Gift gegen unerwünschte Pflanzen und Insekten behandelt, die die Böden und Gewässer der benachbarten Gemeinden verseuchen.
Die großen Zellstoff-Konzerne sagen, dass die meisten ihrer Baumplantagen Nachhaltigkeitssiegel haben. So würde die Natur geschont. Doch die Menschen, die ihr Land und ihre Lebensgrundlage für Eukalyptus-Plantagen verlieren, fragen sich:
„Wie können sie sagen, dass sie etwas für den Naturschutz tun, wenn sie Gift verwenden, wenn sie die Artenvielfalt vernichten, Leben vernichten. Nicht nur das der Tiere und Pflanzen, sondern auch das der Menschen? Wie kann man diese riesigen Plantagen aus identischen Bäumen aus dem Gen-Labor mit einem grünen Siegel versehen?“
Eukalyptus-Plantagen sind keine Wälder, auch wenn sie aus Millionen Bäumen bestehen. Keine Pflanzen, keine Wildtiere können hier überleben. Baumplantagen sind grün, aber sie haben rein gar nichts gemeinsam mit der reichen Natur in Brasilien, wo es so viele verschiedene und einzigartige Tier- und Pflanzenarten gibt wie sonst kaum auf der Erde: im Amazonas-Regenwald, im Cerrado, im Atlantischen Küstenregenwald.
Wer und was dort alles lebt, könnt ihr auch auf unserer Brasilien-Seite lesen: Menschen und Tiere in Brasilien.
Quellen:
World Rainforest Movement
Global Forest Coalition
Video-Interviews: Stimmen aus Lateinamerika gegen die grünen Wüsten
IBA (Brasilianische Papierindustrie)
Im Küstenregenwald von Brasilien steht Ungewöhnliches auf dem Stundenplan: Hier lernen Kinder, von welchen Bäumen sich die Tiere ernähren. Faultiere und Ameisenbären zum Beispiel. Und dann pflanzen sie diese Bäume, damit der zerstörte Wald wieder wächst und die Tiere überleben können. Und wir helfen mit.
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