Eine junge Frau steht zwischen den großen Brettwurzlen eines Urwaldbaumes
Annalena und ein Urwaldriese im Atlantischen Regenwald in Brasilien Bild: Fazenda Saúva

Eine gefährliche (???) Spinne, ein verirrtes Äffchen – und eine große Freundschaft!

Annalena ist 17 Jahre alt und wohnt in der Nähe von Erlangen. Letztes Jahr hat sie sechs Monate auf der Fazenda Saúva gelebt, unserem Partnerprojekt im Atlantischen Regenwald in Brasilien. Von ihrem Einblick in das aufregende Leben im Regenwald erzählt Annalena hier:

Wie ist das eigentlich, so im Regenwald zu leben? Was gibt es dort zu tun? Ist das Leben dort anders als in Deutschland?

Diese Fragen möchte ich euch beantworten.

Wie bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, in den Regenwald zu gehen?
Vor einigen Jahren habe ich in meiner Heimatstadt einen Capoeira-Kurs gemacht, so nennen Brasilianer ihre traditionelle Kampfkunst. Mein Lehrer war damals der Capoeira-Meister Cebolinha; er kommt aus Salvador, einer Stadt an der Ostküste von Brasilien. Ich wusste, dass er mit seiner Frau Bianca in der Nähe die Fazenda Saúva gegründet hat – das bedeutet Blattschneiderameisenfarm. Dort lernen Kinder der Umgebung nicht nur Capoeira, sondern auch viel über Tiere und Pflanzen – und über das Aufziehen von neuen Bäumchen. 
Ich hatte dieses Projekt schon vorher über die sozialen Medien verfolgt. Ich war fasziniert, wurde neugierig, ich wollte dem Projekt auch helfen. Deshalb entschied ich mich dazu, nach meinem Schulabschluss für einen Monat nach Brasilien zu reisen.
 

Mehrere Gebäude mit roten Dächern am Rande einer Baumpflanzung, umrahmt von Waldgebieten
Die Blattschneiderameisenfarm ist umgeben von ihrer Baumschule (rechts neben den Gebäuden) und Regenwald Bild: Fazenda Saúva

Sind die Menschen dort anders als in Deutschland?
Bei meiner Ankunft im Regenwald konnte ich kaum ein Wort Portugiesisch. Ich konnte zwar „Hallo“ und „Tschüss“ sagen, aber ich war noch weit entfernt davon, mich mit den Einheimischen unterhalten zu können. Das machte aber nichts. Es vergingen nicht mal Stunden, und ich wurde schon herzlich empfangen: ein Küsschen auf die Wange hier, eine lange Umarmung da und ein nettes Lächeln von allen Seiten. Die Brasilianer lieben es, ihre Zuneigung zu zeigen und sind unglaublich offen mit neuen Personen. Wenn ich sie nicht verstanden habe, wurde halt mit Händen und Füßen kommuniziert. Obwohl sie mich noch nie vorher gesehen hatten, haben sie mich behandelt, als wäre ich schon immer ein Teil von ihnen gewesen. Besonders viel Zeit habe ich mit den Jugendlichen von dort verbracht.

Eine ganz besondere Freundschaft
Der Großteil ist zwischen 12 und 16 Jahre alt. Daniel, ein 16-jähriger Junge, der mit auf der Fazenda lebt, hat mir, trotz Sprachbarriere, viele für mich neue Dinge erklärt und gezeigt. Wir haben uns direkt gut verstanden und wurden schnell Freunde. Daniel lebt und arbeitet neben der Schule auf der Fazenda. Daniele, ein 14-jähriges Mädchen, kam fast täglich zu Besuch, und so konnten auch wir viel Zeit miteinander verbringen. Meistens wohnt sie bei ihrer Oma, da ihre Eltern nicht zuhause sind, und da es ihr dort zu langweilig ist, kommt sie die Kinder auf der Fazenda besuchen.

Früchte aus dem Wald und Nudeln aus dem Supermarkt
Wir sind ungefähr zweimal die Woche in den 7 Kilometer entferten Ort Nilo Peçanha zum Supermarkt gefahren und haben dort meistens Nudeln, Fleisch und Tapioca gekauft, das ist ein Stärkemehl aus der Maniokwurzel. Denn das haben wir neben dem Gemüse und Obst der Fazenda fast jeden Tag gegessen. Wenn wir Brötchen backen wollten, haben wir auch Mehl oder Käse zum Belegen eingekauft. Und wenn wir schon im Ort waren, haben wir so viel wie möglich erledigt: zur Bank, Apotheke oder zu anderen Geschäften zu gehen, damit sich der Weg auch lohnt.
 

Wie ist der Alltag auf der Fazenda Saúva?
In den ersten Tagen wurde mir relativ schnell der Ablauf des Tages erklärt. Ziemlich früh aufstehen, am besten, wenn die Sonne kaum aufgegangen ist, denn sobald es heller wird, wird es auch wärmer. Die Hitze im Regenwald darf man nicht unterschätzen. Mittags konnte ich kaum für 10 Minuten in der Sonne stehen, weil mein Körper diese Hitze nicht gewöhnt war. Deshalb wird in der Früh gearbeitet: Tiere füttern, kochen, anpflanzen. Man hilft mit, wo man gebraucht wird. Zur Mittagszeit steht eine Kaffeepause an und danach konzentriere ich mich auf die Kinder und Jugendlichen, die mittlerweile aus der Schule zurück sind. 
Englisch Nachhilfe, Kopfrechnen und Lesen gehörten zu Aufgaben, mit denen ich den Kindern aus dem Regenwald eigentlich nur helfen wollte, sich weiterzubilden. Es stellte sich heraus, dass mein Portugiesisch dadurch aber auch viel besser wurde und wir uns gegenseitig halfen über uns hinauszuwachsen. Abends saßen wir meistens alle zusammen, redeten oder trainierten Capoeira.

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Junge Frau sitzt mit 5 Kindern im Kreis auf dem Boden, in der Mittel liegt ein Blatt Papier
Unterricht mit Win-Win-Effekt: Die Kinder lernen Englisch, Annalena lernt Portugiesisch! Bild: Fazenda Saúva

Gab es besondere Alltagssituationen in der Natur?
Natürlich, kleine Dinge, bei denen ich mir in Deutschland nicht mal Gedanken gemacht hatte, wurden auf einmal zu einem aufregendem Ereignis. Zum Beispiel das eine Mal, als ich morgens duschen gehen wollte und ich schon fast in der Dusche war, als ich auf einmal einen Frosch in der Dusche entdeckte. Natürlich kannte ich mich nach einer Woche im Regenwald noch nicht genug aus um zu wissen, ob dieser Frosch nicht vielleicht giftig sein könnte. Also hab ich mich aufs Klo gestellt und habe ihn vorsichtig mit einem Besenstiel aus dem Bad gescheucht. Beim Frühstück hatte ich nachgefragt, ob dieser Frosch gefährlich für mich sein könnte, aber es stellte sich heraus, er war ein ganz normaler Laubfrosch.
 

Gibt es im Regenwald andere Früchte als in Deutschland?
Zu meiner großen Freude gab es im Regenwald viele neue Früchte zum Kennenlernen. Ich habe erfahren, wie mir schon bekannte Früchte eigentlich wachsen und konnte aber auch mir bis dahin unbekannte Früchte probieren. Zum Beispiel an einem Nachmittag haben mir die Jugendlichen von dort einen Cashew-Baum gezeigt. Bis dahin wusste ich gar nicht, dass man die Früchte vom Baum essen kann. Die recht bittere Frucht schmeckte uns allen, und während die Jungs im Baum herumkletterten, um mehr Cashews zu ernten, aßen die Mädchen im Schatten des Baumes die Früchte.

Was für Tiere gibt es im Regenwald?
Neben den Ziegen, Hühnern und Hunden der Fazenda gibt es auch viele wilde Tiere, die ich im Regenwald entdeckt habe. Es gab sowohl gute als auch nicht ganz so gute Begegnungen. 
Beispielsweise an einem Nachmittag hatte einer der Ranger einen kleinen Affen auf dem Boden entdeckt, der verwirrt war und von alleine nicht mehr auf den Baum geklettert ist. Das erste Mal in meinem Leben konnte ich einen echten Affen von der Nähe aus sehen und tatsächlich streicheln, ich war natürlich ziemlich aufgeregt. Der Ranger aber war ziemlich gelassen, denn Affen sind in Brasilien keine wirkliche Besonderheit, für mich aber war es eine der niedlichsten Begegnungen im Regenwald. 
Dagegen nicht so niedlich war ein Vormittag. Ich war am Anpflanzen von Chilis und stand auf, um neue Erde zu holen und bin glücklicherweise kurz stehengeblieben, um meine Hose zu richten, und währenddessen entdeckte ich eine hellgrüne Spinne, ungefähr so groß wie meine Handfläche, 5 Zentimeter vor meinem Gesicht. Langsam bin ich nach hinten und hab mir die Spinne von der Ferne noch etwas angesehen. Ab diesem Tag habe ich beim Laufen ganz genau auf meine Umgebung geachtet, denn dieses Treffen wollte ich sicherlich nicht noch einmal wiederholen.

Badespaß!
Wenn wir am Nachmittag nichts zu tun hatten und es sehr warm war, sind wir zum Fluss gegangen und waren dort alle baden. Der Fluss ist etwa eine Stunde zu Fuß von der Fazenda entfernt. Dort gibt es tatsächlich kleine Fische und Krabben, die von den Einheimischen gefangen und gegessen werden. Ich habe sie bei einer Geburtstagsfeier sogar probieren können.
 

Flusslandschaft mit badenden Kindern, im Vordergrund flache Felsen, im Hintergrund Wald und Wiesen
Bild: Fazenda Saúva

Was habe ich während meiner Zeit im Regenwald gelernt?
Auf der Fazenda Saúva bin ich über mich hinausgewachsen. Mein Aufenthalt dort war nicht nur die längste Zeit, die ich von zuhause weg war, sondern er hat mir auch gezeigt, was ich alles bewirken kann. Abends schlafen zu gehen und zu wissen, dass man über den Tag dem Regenwald und dem Projekt weitergeholfen hat, ist ein unglaublich schönes Gefühl. Ich habe dort gelernt, wie es sich anfühlt, in einer Gemeinschaft zu leben, in der jeder jedem hilft, und wie unterschiedlich ein Alltag in verschiedenen Ländern sein kann.

Hat die Zeit im Projekt meine Zukunft beeinflusst?
Sicherlich, bis heute habe ich noch Kontakt mit den Jugendlichen aus dem Regenwald. Dadurch dass wir so viel Zeit miteinander verbracht haben, sind neue Freundschaften entstanden, und hin und wieder telefonieren wir alle miteinander. Jetzt versuche ich aus Deutschland, das Projekt weiterhin zu unterstützen und meine Geschichte, und damit das Projekt Saúva, bekannter zu machen. Meine Zeit im Regenwald war wunderschön und ein Erlebnis, das ich nie vergessen werde. Und ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, diese Erfahrung zu machen.
 

2 junge Männer aus Brasilien und eine Frau in weißer Capoeira-Kleidung halten traditionelle Musikinstrumente hoch, die aus einem Ast, einer Saite und einer Kalebasse bestehen, einer der beiden Jungen schlägt eine Trommel, daneben eine junge Frau mit einem Tamburin.  Im Vordergrund die zuschauenden Kinder in einem Halbkreis
Wiedersehen in der alten Schule: Annalena (rechts) war natürlich dabei, als Daniel, Bianca und Caíque den Kindern des Gymnasiums Herzogenaurach einen Capoeira-Kurs geschenkt haben
Ein dunkelhäutiger Junge und ein europäisches Mädchen halten eine kleine Weltkugel in den Händen und schauen sich an. Sie stehen vor einem Regenwald
Die ganze Welt gehört zusammen, egal aus welchem Land wir kommen, welche Hautfarbe wir haben und welche Sprache wir sprechen. Das soll dieses Foto mit der Weltkugel symbolisieren. Es entstand – zusammen mit Caíque – ganz am Anfang meines Besuchs, als ich noch kein Portugiesisch sprach. Bild: Fazenda Saúva

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1 Kommentare

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Opa Wieland 18.12.2024

Deine Ausführung über das Kennenlernen und Leben im Regenwald fand ich sehr gut. Gibt es bei Spenden auch eine Spendenquittung für das Finanzamt? Ich möchte Dein Leben mit den Abenteuer- Regenwald gerne weiter verfolgen.

Abenteuer Regenwald antwortete am 18.12.2024

Wie schön, dass dir der Bericht von Annalena auch so gut gefallen hat! Und ja, für jede Spende gibt es eine Spendenquittung - wir sind vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt.

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